Pressestimmen
Aus : Süddeutsche Zeitung Nr. 118, Seite 51 vom Montag, dem 25. Mai 2009 Rührend, nicht rührselig Medienpreis für Film über Rollstuhlfahrerin Elisabeth Fink springt oft über eine Wiese voller Gänseblümchen. Die Vögel zwitschern. Sie spürt, wie ihre Beine sie über das saftige Grün schweben lassen. Doch dann öffnet sie ihre Augen und ihre Beine sind taub, gefühllos. Acht Wochen ist der schreckliche Unfall nun her. Doch Elisabeth Fink will ihn nicht wahr haben. Sie liegt im Bett und flüchtet in ihre Träume. Träume, in denen sie noch laufen kann. Der 26. März 1982 veränderte ihr ganzes Leben. An diesem Freitag kommt sie beim Skifahren ins Schleudern. Sie bricht sich zwei Wirbel und mehrere Rippen. Der Splitterbruch verletzt ihr Rückenmark so sehr, dass sie im Krankenhaus die Diagnose erhält: Querschnittslähmung. „Danach war erst einmal das Nichts“, erinnert sie sich. Die Münchner Filmemacherin Margit Pabst hat dieser „schicksalhafte Bruch und der tiefe Einschnitt im Leben“ so sehr bewegt, dass sie Elisabeth Fink in einer Dokumentation 24 Stunden lang begleitet hat. Im Film „Manchmal bin ich sogar glücklich“ erzählt Elisabeth Fink von ihrem Alltag, ihren Sehnsüchten, von Unabhängigkeit und Anerkennung – von ihrem Leben im Rollstuhl. Mit diesem tiefen und bewegenden Einblick hat Margit Pabst nun den Alternativen Medienpreis 2009 im Bereich Film/Video gewonnen. Seit zehn Jahren vergibt die Medien- akademie Nürnberg diesen Preis, der den Graswurzeljournalismus fördern soll, Journalismus von unten, der sich um Themen kümmert, die die meisten Medien vernachlässigen. Elisabeth Fink ist mittlerweile seit 27 Jahren querschnittsgelähmt. „Ich hatte anfangs das Gefühl, eingesperrt zu sein“, blickt sie zurück. Nur langsam lernte sie, ihr Freiheitsgefühl auf andere Weise auszuleben. Heute ist sie verheiratet, hat drei Kinder und arbeitet als Sozialpädagogin in der Schwangerenberatung. Dennoch hat sich mit dem Unfall ihr ganzes Leben verändert und allmählich auch ihre Einstellung zum Leben: „Seit dem Unfall lebe ich bewusster. Ich bin toleranter und ruhiger geworden: Aber vor allem lebe ich Gefühle viel intensiver als früher.“ Dennoch lässt sie die extreme Einschränkung durch den Rollstuhl nicht los. „Das Schlimmste ist die Abhängigkeit – man ist einfach immer auf die Hilfe anderer angewiesen“, erklärt sie. Von einer „ungeheueren Befreiung“ spricht Elisabeth Fink deshalb, wenn sie ins Wasser darf. Ein Badesee verleiht ihr die Bewegungsfreiheit, die sie an Land nicht mehr spüren darf. Denn schwimmen kann sie, ihre Arme machen wett, was ihre Beine nicht mehr können. Ihr sehnlichster Wunsch war es, eigene Kinder zu haben auch nach dem Unfall. Die Querschnittslähmung hatte zwar ihre Beine gefühllos gemacht, aber nicht sie selbst. Theoretisch hätte sie auf Liebe nicht verzichten müssen. Aber im wahren Leben begegnete Elisabeth Fink häufig Männern, die sie als abstoßend empfanden. Ihren heutigen Ehemann hat sie im Park kennengelernt. Er saß auf der Bank; sie im Rollstuhl daneben. „Er war völlig ohne Vorurteile und auch mutig, wie er mit mir umgegangen ist“, schwärmt Fink heute. Mit ihm wurde ihr Traum von eigenen Kindern wahr. Dennoch versuchen immer wieder Menschen, ihr genau das zum Vorwurf zu machen: Wie verantwortungslos sie sei, als behinderte Frau drei Kinder in die Welt zu setzen. Für Elisabeth Fink sind sie allerdings der Halt und die Freude in ihrem Leben. Bei der Verleihung des Alternativen Medienpreises in Nürnberg Anfang Mai lobte der Journalist Martin Goldmann in seiner Laudatio den Mut machenden Charakter der Dokumentation: „Der Film schafft den Balanceakt, ein rührendes Thema zu vermitteln ohne rührselig zu werden und ohne eine kalte Gesellschaft anzuprangern.“ Und das liegt nicht zuletzt daran, dass sich Elisabeth Fink lebensbejahend, kämpferisch, aber zugleich verletzlich zeigt. Sie akzeptiert die Behinderung zwar, aber abfinden kann sie sich nicht damit. Immer wieder überkommt sie deshalb der eine Traum, der sich wohl nie erfüllen wird: ein Leben ohne Rollstuhl. ,,Wenn ich wieder laufen könnte, würde ich als erstes einen intensiven Spaziergang machen – quer durch den Wald.“ Konrad Welzel